Donnerstag, 22. Januar 2009

Unerfüllte Romanze an einem Mittwoch um ungefähr 9.37 Uhr

Ich verzog den Mund zu einem müden Lächeln und blickte der Polizistin tief in die Augen. "Ich zieh mir besser mal was an" sagte ich undeutlich, denn ein Zigarettenstummel im Mundwinkel behinderte mich dabei. Mit meinem müdem Lächeln vertrug sich die Kippe optisch zwar ideal, allerdings benutzte ich zum Drehen, aus Mangel an kurzen, die langen Blättchen von OCB.
Den Umstand, dass auch ein zweiter Beamter vor meiner Haustür stand, ließ ich ausser Acht. Ich würdigte ihn nur eines kurzen Blickes, bemerkte wie seiner auf meiner Sieht-aus-wie-ein-Joint-Zigarette ruhte, bevor meine Augen wieder sie erfassten. Die Wirkung, die ich auf die junge, blonde Beamtin hatte, schien nicht sonderlich positiv zu sein und ihr Blick bestätigte meine Annahme. Kein guter Einstand bei der Kleinen, dachte ich und schloß die Tür vor Ihrer Nase.

Ich war kurz vorher erst aufgewacht und immer noch total verschlafen, als die Gesetzeshüter gerade klopften. Meine Augen waren noch träge und ich wollte gerade den ersten Kaffee genießen. Meine Ohren indes waren schon hellwach. So dröhnte aus der Stereoanlage in der Küche Musik, die fälschlicherweise den Eindruck erweckte, man befände sich in einer dauerbekifften Hippiekommune der späten 60er Jahre.
Ich war nur mit einer Unterhose bekleidet. Eigentlich einer meiner Trümpfe, aber einer Polizistin wollte ich so nicht gegenübertreten. Ihr Kollege war mir egal, aber sie könnte mir verfallen und sie hat es ihn ihrem Beruf sicher schon schwer genug. Vielleicht war ich ja ein potenzieller Verdächtiger einer mir unbekannten Srafttat und eine Affäre würde vielleicht ihre Karriere ruinieren. Dessen wollte ich mich nicht schuldig machen, also musst ich mir etwas überwerfen.
Das tat ich, auch wenn ich zugeben muss das weiße Flanell-Hemd nicht zugeknöpft zu haben. Nur für den Fall doch kein Verdächtiger zu sein.
Ich machte die Musik leiser und die Zigarette aus.
Dann dachte ich an das Kabel.
Das Kabel war ein ganz normales Kabel.
Weiß.
Lang.
Mit zwei Enden.
Ein Ende steckte in einer Steckdose in der Küche. Von dort lief es durch den bescheidenen Flur, unter des Haustür durch, vorbei an den Schuhe der Polizisten, über die Treppe, in die Wohnung obendrüber. Den Mietern dort wurde kürzlich der Strom abgestellt und wir halfen mit einem Zeichen unserer unermesslichen Güte. Denn es war bitterbitterkalt und auch dunkel und die Welt auch manchmal grausam, da sollte man barmherzig sein.
Auch dieses Verhalten könnten den zwei Gestalten vor der Tür nicht sonderlich positiv auffallen, meinte ich. Vorrausgesetzt sie bemerkten das Kabel überhaupt und der heruntergekommene Flur mit dem faustbreiten Riss, der sich von oben nach unten durchs ganze Haus zieht, und ein schätzungsweise 89 Jahre altes und komplett mit der Wand verwachsenes Rolling-Stones-Poster, und morsches, ungepflegtes Holz, und sich damit farblich beißende Tapeten in grün und blau und im Stil der 70er Jahre, 1870er, erfordern nicht ihre volle Aufmerksamkeit.

Ich dachte gerade über den Flur nach und wollte mich wieder setzen, als mir einfiel, dass die zwei ja immer noch vor der Tür standen und auf mich warteten. Also ging ich hin und machte ihnen abermals auf.
Ich setzte diesmal ein etwas wacheres Lächeln auf, blickte nur auf die junge Dame und sagte: "Was kann ich für Sie tun?"
"Kennen Sie einen Uwe-Markus Rückhof?" fragte der Beamte, der aufgeregt schien, dass ich ihn endlich bemerkte, doch auch nicht wollte, dass man ihm das anmerkt, denn soviel war klar, der Typ wollte nach oben.
Seine Frage allerdings machte aus meinem etwas wacheren Lächeln ein überaus breites Grinsen, denn ich kannte zwar keinen Uwe-Marcus Rückhof, dafür einen Uwe-Markus mit anderem Nachnamen, der wohnt im Hinterhaus und das steht, genau, im Rückhof. Ob dieses Witzes suchte ich kurz das marode Treppenhaus nach Versteckten Kameras oder Fritz Egner ab, als ich weder das eine noch das andere finden konnte, erklärte ich den Beamten kurz "Also einen Herr Rückhof, kenne ich nicht, nie gehört. Tut mir leid." Ich wollte wieder Musik hören, Kaffee trinken, mich ausziehen und ne Kippe rauchen. Ganz gewiss nicht parlieren mit plumpen Polizisten. So zierlich, grazil, und niedlich sie auch aussehen mögen. Sie bedankten sich artig für meine "Mithilfe", warfen mir düstere Blicke zu und schickten sich an die Treppe hinunterzusteigen. Ich zwinkerte der Beamtin noch zu, lüftete kurz das Hemd, doch da hatte sie sich bereits umgedreht. Sie ging. Ich konnte ihr nur noch nachrufen: "Stolpern Sie nicht über das Kabel!"

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